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Libellen im Flug fotografieren

Libellen faszinieren mich als Fotomotive schon sehr lange. Ich bewundere ihre schönen Farben, den bizarren Körperbau und ihre Flugkünste. Meine absoluten Favoriten sind dabei die Prachtlibellen (Familie Calopterygidae). Auf Sardinien sehe ich sie häufig an kleinen Flüssen und Bächen, sitzend, in Aktion, Interaktion und im Flug.

Bronzene Prachtlibelle, >> zur Galerie Flugaufnahmen ganz unten

Seit über einem Jahr studiere ich ihr Verhalten – mit und ohne Kamera. Dabei ist eine schöne Fotosammlung von Porträts und Verhaltensstudien herausgekommen. (Mehr darüber findest du im Archiv unter die kleinen blauen Männchen und unter Libellenfotografie Schwarzweiß.) Zwei Bildideen fehlten mir allerdings im letzten Jahr beim Abschluss der Libellensaison noch: Flugaufnahmen einzelner Tiere und Interaktionen im Flug. Auszutüfteln, wie das am besten zu realisieren ist, war mein Ziel für die diesjährige Libellensaison. Am Anfang steht bei der Tierfotografie zur Vorbereitung für mich immer die Beobachtung des arttypischen Verhaltens in Kombination mit Literatur- und Internetrecherchen.

Hier die Basisinfos – Beobachtung und Recherche
Bei der der von mir beobachteten Art handelt es sich um die Bronzene Prachtlibelle (Calopteryx haemorrhoidalis). Deren Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf das westliche Mittelmeergebiet. Die Gesamtlänge liegt bei 45 bis 48 Millimeter. Die Flügelspannweite beträgt etwa 45 bis 70 Millimeter. Die Weibchen sind, wie der Name vermuten lässt, bronzefarben, die Männchen blau. Doch die wahrgenommene Farbe variiert je nach dem Winkel, unter dem du sie anschaust von fast schwarz bis transparent bei den Männchen und von dunkelbraun, goldfarben bis transparent bei den Weibchen. Ein interessantes Detail ist die sogenannte Rote Laterne bei den Männchen an der Unterseite der letzten beiden Abdominalsegmente, diesem Merkmal verdankt die Art ihren wissenschaftlichen Namen haemorrhoidalis.

Bronzene Prachtlibelle (Calopteryx haemorrhoidalis),
ein Männchen zeigt die rote Laterne
Die Weibchen haben 4 weiße Flügelmale und an den beiden Hinterflügeln ein dunkleres Band bis zur Flügelspitze.

Das Verhalten der Libellen folgt einem festen Tagesrhythmus. Im Juli /August ist die Zeit zwischen 9-10 Uhr morgens zum Fotografieren des Fluges gut geeignet. Nach einer Aufwärmphase in der Sonne jagen die Tiere dann von Sitzwarten aus, zu denen sie immer wieder zurückkehren. Dabei richten sie sich oft +/- 90° zur Sonne aus (wenn diese scheint). In dem charakteristischen Ablauf Sitzen – Abflug – Beute fangen – Rückflug – Sitzen + Fressen, ist die Phase Sitzen + Fressen ideal für Portraitstudien. Zwei Beispiele zeigen die beiden Fotos über diesem Absatz. Oft bleiben 1-3 Minuten bis zum nächsten Jagdflug. Zeit genug, um die Kamera auf Augenhöhe parallel zur Körperachse des Tieres auszurichten und den Fokus auf die Augen-Thoraxpartie zu setzen. Um die Tiere nicht zu irritieren bzw. verscheuchen verwende ich anstelle des 180er Makros das Canon EF 100-400mm bei 400mm mit Zwischenring. Mit der Anordnung kann ich einen etwas größeren Abstand zum Motiv einhalten und die Libelle jagt trotz meiner Anwesenheit ziemlich unbeeindruckt weiter.

Weibchen mit Beute, Phase Sitzen + Fressen

Bereit für Flugaufnahmen
Die Libelle bleibt solange sitzen bis die Beute verschlungen ist. Im Sucher ist diese Phase an den Fressbewegungen der Mundwerkzeuge gut zu erkennen. Den sich daran anschließenden Abflugvorgang zu fotografieren, ist mir nie gelungen. Das geht einfach zu schnell. Die Rückflug- und Landeszenen jedoch sind einfacher mit den Augen zu verfolgen. Das ist der Moment, in dem die Chancen für Flugaufnahmen günstig sind. Zur Vorbereitung wird die Kamera, wie oben für Portraitstudien beschrieben auf Augenhöhe parallel zur Körperachse des Tieres ausgerichtet. Den Fokus lege ich in der Live-View Vergrößerung auf die Augen-Thoraxpartie. Danach schalte ich auf manuellen Fokus um und warte mit der Einstellung Serienaufnahme auf den Landeanflug. Das Auge schaut dabei nicht durchs Okular, sondern verfolgt die Libelle. Wichtig ist, im Bildausschnitt etwas Luft zu lassen und auf einen ruhigen, sanft in Unschärfe verlaufenden Hintergrund zu achten.

Daten: Canon EOS 5D IV, Canon EF 100-400mm @400mm, Zwischenring,
T = 1/2000 Sek, f11, ISO 3200, Stativ

Zu Beginn bekam ich viele Fotos mit leerer Sitzwarte. Supertolle, scharfe Libellen, von denen aber leider nur die Hälfte im Bildausschnitt zu sehen war, kamen auch oft vor. Aber mit der Zeit konnte ich durch das Beobachten der typischen Anflugbahnen den Ablauf besser vorhersehen. Der Druck auf den Auslöser wurde gezielter und der Ausschuss geringer. Den Bildausschnitt wähle ich so, dass hinter dem sitzenden Tier noch eine Libellenlänge Platz bleibt. Beim Landeanflug aus dieser Richtung ist so die Chance, dass die Tiere vollständig im Flug erwischt werden, also nichts abgeschnitten ist, größer. Bei Bedarf schneide ich das Bild später dann ein wenig zu.

Schikanen
Wind – Ein fester Zweig als Sitzwarte macht die Landung vorhersehbarer als ein dünner Halm, der bei jedem leisen Windhauch hin und her schwingt. Scharfe Fotos gelingen deshalb eher, wenn ich mich auf die Tiere konzentriere, die auf stabilen Sitzwarten hocken. Oft landet die Libelle exakt an dem Punkt des Zweigs, von dem aus sie gestartet ist. Dann deckt der verfügbare Schärfentieferaum bei f11 auch einen Abschnitt der Anflugbahn mit ab.

Sitzt die Libelle auf einem schwankender Halm, ist das Motiv schon bei leichtem Wind aus dem Schärfetieferaum herausgeweht
Besser ist es, ein Tier auf einer stabile Sitzwarte anzupeilen

Bildgestaltung
Am Ende ist die bewusste Gestaltung des Hintergrundes bei der Frage Foto löschen oder behalten entscheidend. Ist er zu unruhig lösche ich das Foto. Da andererseits der Schärfentieferaum mindestens die Augen-Thorax-Partie abdecken sollte, bin ich dafür mit f11 auf der sicheren Seite. Je nach Einflugwinkel geht manchmal auch noch f8, mit f5.6 wird es schwierig, aber nicht unmöglich, Bild 14 in der Galerie unten ist ein Beispiel. Damit wird die Gestaltung eines ruhigen Hintergrundes herausfordernd. Dies gelingt nur, wenn die Distanz Kamera – Libelle deutlich geringer ist, als die Distanz Libelle – erste Hintergrundelemente. Zum Test mache ich vor den Flugaufnahmen ein Foto von der Libelle in Ruhe, kontrolliere im Kameramonitor das Ergebnis und korrigiere gegebenenfalls die Stativposition noch ein bisschen.

Abgesehen von der Hintergrundgestaltung gefallen mir die Fotos besser, auf denen außer der fliegenden Libelle auch der angepeilte Landeplatz mit drauf ist. Ich finde, das stellt einen Umgebungsbezug her und macht das Bild lebendiger.

Bildgestaltung mit Landeplatz als Vordergrund
Bildgestaltung ohne Landeplatz

Faszination Libellenflug
Wenn von den Flugkünsten der Libellen die Rede ist, kommt häufig der Helikoptervergleich ins Spiel. Damit ist gemeint, dass sowohl der Helikopter als auch die Libelle im Flug über einem Objekt verharren können. Aber Libellen können viel mehr. Die vier Flügel sind individuell einstellbar. Sie werden am Brustsegment vom Muskeln gesteuert. Die roten „Verzierungen“ auf dem Foto sind die Ansatzpunkte. Dort ist jeder einzelne Flügel an seinen Muskel, der ihn bewegt, angebunden. Deshalb sind die Fotos von fliegenden Libellen so variationsreich. Einen Eindruck davon bekommst du beim Anschauen der Fotos in der Galerie unten.

Flügeldetail

Ist das noch Flug oder schon Landung?
Der Übergang zwischen Flug und Landung ist fließend. Ich habe mich dafür entschieden, Fotos als Flugaufnahmen zu betrachten, wenn mindestens noch 4 Beine in der Luft sind. Die Landungsphase, bei der 4-6 Beine schon die Sitzwarte berühren, ergibt auch sehr schöne, dynamische Fotos, die mir oft sogar besser gefallen, als die Flugbilder. Wenn es darum geht, eine Sequenz des Flug-Lande-Vorgangs zu zeigen, sollten diese auf jeden Fall auch mit dabei sein. Zwei Bilder aus einer Landesequenz sind die Nummern 4 und 5 in der Galerie unten.

Zum Abschluss hier eine Galerie mit meinen diesjährigen Fotos von fliegenden Libellen. Mit einem Klick auf ein Vorschaubild gelangst du zur Vollbildansicht. Das Foto Nr. 12 zeigt die nächste Schwierigkeitsstufe: Interaktion im Flug. Doch das ist ein Thema für sich. Mir gefallen die Nummern 1 und 8 am besten, wegen des weichen, mehrfarbigen Hintergrundes. Und welche sind deine Favoriten?

6 Kommentare

  1. Liebe Michaela,

    Dein Artikel über die Libellen im Flug ist ein super gelungener Auftakt für Deinen neuen Blog!
    Das erinnert mich daran, mich doch mal wieder auf die Pirsch zu begeben und die eine oder
    andere bereits gefundene Stelle mit vielen Prachtlibellen auszunutzen.

    Gerne nehme ich die Tipps hier mit – bin ich doch etwas außer Übung geraten.

    Ich freue mich schon auf die weiteren Beiträge und Tipps und schicke viele liebe Grüße
    Carina

    1. Liebe Carina,
      vielen Dank, es freut mich, dass der Artikel dich motiviert selbst auf die Pirsch zu gehen.
      Für deine nächsten Libellen-Exkursionen wünsche ich dir viel Erfolg.
      LG
      Michaela

  2. Ciao Michaela, stupenda galleria di immagini e bellissima presentazione del soggetto.
    si vede che c’è molto studio e pazienza dietro questo lavoro.
    complimenti veramente.
    Mi piacciono tutte, ma le mie preferite sono quelle con lo sfondo azzurro ma solo per questione estetica mi sembra che nell‘ l’azzurro spicca di più il loro colore.
    Bravissima.

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